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Fahrradtour USA: Tagebuch


Der Pazifikküste entlang nach San Francisco

49. Tag   50. Tag   51. Tag   52. Tag   53. Tag

49. Tag: Donnerstag, 24. Juni

Strecke:
Jedediah Smith Redwoods State Park - 199 - Elk Valley Road - 101 - Klamath - 101 - Redwood Highway - 101 - Patrick's Point State Park - Patrick's Drive - Trinidad

Wetter:
neblig, feucht-kalt, praktisch windstill

Distanz: 108 km   Zeit: 6,2 h   Geschwindigkeit: 17,4 km/h

Total:
Distanz:
5524 km   Zeit: 279,0 h   Ø Geschwindigkeit: 19,8 km/h   Ø pro Tag: 113 km
Mehr Statistik und Zahlen

Der Tag, an dem ich unter Redwoods erwache und an den Pazifik kam - nach insgesamt 5430 km. Ein erhebendes Gefühl, auch wenn ich im Sturmnebelwind an der Küste nach kurzer Zeit durchgefeuchtet bin.

Pazifik
Kontinentsdurchquerung geschafft: am 24. Juni am pazifischen Ozean südlich von Crescent City angekommen.

Ich lasse mich im Hafen am südlichen Ausgang von Crescent City fotografieren und stelle danach fest, dass die Mutter der berühmten Schraube am Gepäckträger hinten links jetzt also doch weg ist. Seit Fairfield ID habe ich um diese Schraube gebangt, aber mich nicht getraut, die Sache genauer zu untersuchen, weil ich fürchtete, danach sei alles futsch. Nun bin ich gezwungen, etwas zu unternehmen - und habe wieder grosses Glück. Im Hafen hat es einen Marina Supply mit einem kompletten Schraubenangebot. Nachdem alles wieder in bester Ordnung ist, gratuliere ich Hannes telefonisch zum Geburtstag und teile Franziska meine Pazifikankunft mit, leider nur aufs Band.

Irgendwie ist nach diesem Pazifikerlebnis die Spannung für den heutigen Tag am Ende. Es beginnt eine müde Fahrt, entweder geht es steil hinauf oder steil hinunter; ich komme überhaupt nicht auf Touren. Wegen des Nebels muss ich ohne Brille fahren. Nach Crescent City ist ein erster und nach Klamath ein zweiter markanter Hügel mit je gut 300 m Höhendifferenz zu überwinden.

Zudem ist dieser Hwy 101 die bisher ruppigste, holperigste und löcherigste Strasse meiner ganzen Tour. Mühsam ist ausserdem, dass er je nach Gelände ein vierspuriger richtungsgetrennter Freeway mit breiten Shouldern oder dann eine enge zweispurige Strasse ohne Shoulder ist. Gefahren wird, wie wenn immer Freeway wäre: sehr aggressiv und viel zu schnell und so rücksichtlos gegenüber Fahrradfahrern wie noch auf der ganzen Tour nie. Unangenehm sind vor allem die vielen Trucks mit Redwoodstämmen, die keinen Bogen um mich machen. Als ich einmal einem solchen Truckfahrer die Faust mache, hält er abrupt an, steigt wutentbrannt aus und schreit mich an. Ich mache einen weiten Bogen um ihn und verziehe mich in die nächste Seitenstrasse, bis dieser Truck vorbei ist. Was in Kalifornien offenbar auch Mode ist: eng überholen und dann genau auf meiner Höhe hupen oder zum Fenster hinausschreien. Ich erschrecke jedes Mal sehr. Die Schilder "Watch for Bicycle" sind offenbar reine Alibiübung. Ich fahre deshalb so oft wie möglich auf Parallelstrassen zum Hwy 101; dafür ist die ACA-Karte sehr nützlich.

Redwood
Einmalig und unbeschreiblich: die Redwoods.

Es bleibt den ganzen Tag nass-kalt-feucht-klebrig, und ich komme nicht in Stimmung. Eindrücklich ist nur der Abschnitt, wo der Redwood Highway gleich nach Beginn des Humboldt County vom Hwy 101 abzweigt. Kilometerlang fahre ich durch die Redwoods, die mich bezaubern. Sie sind zwar etwas vom wenigen, das ich schon von früheren USA-Reisen her kenne, und trotzdem sind sie etwas vom eindrücklichsten. Schön ist auch die Aussicht auf den Pazifik vom Patrick's Drive aus.

In Orick beim Grocery Store treffe ich eine Frau (Amerikanerin), die mich vom Auto aus anspricht. Sie fragt mich so detailliert aus, wie noch nie jemand zuvor: was ich esse unterwegs, was für Karten ich habe, wieviel Geld ich brauche, ob ich manchmal bedroht werde usw. Dann stellt sich heraus, dass ihr Sohn eine lange Fahrradtour durch die USA plant. Mit ihren Fragen scheint sie vor allem unwiderlegbare (da von einem erfahrenen Tourenbiker stammende) Argumente zu sammeln, wenn es darum geht, ihrem Sohn ein paar Dinge aus- und einzureden. Der Sohn auf dem Hintersitz im Auto kommt nicht zu Wort.

In Trinidad gebe ich kraftlos auf und stelle mein Zelt auf dem Hidden Creek RV Park wieder einmal zwischen RVs auf. Ich lege wie üblich meine Fahrradkleider zum Lüften auf dem Fahrrad aus; als ich vom Duschen zurückkomme, ist dicker Nebel aufgezogen, der dieselbe Wirkung wie Regen hat: es ist alles klitschnass und trocknet natürlich nicht mehr. Zum Glück kann ich wenigstens das Fahrrad in einem Schopf ans Trockene stellen. Dann telefoniere ich mit Alfred, da Franziska in Los Angeles ist; für meine Ankunft am 28. Juni bin ich nach dem heutigen Tag nicht mehr sehr optimistisch.

Am Abend bessert sich die Laune, als ich zu meiner eigenen Überraschung in Trinidad, früher eine Goldgräberstadt und heute ein kleines Nest, ein freundliches Restaurant entdecke, wo sogar der White Zinfandel gut und das Dessert delicious ist.
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50. Tag: Freitag, 25. Juni

Strecke:
Trinidad - Trinidad Scenic Drive - 101 - McKinleyville - Arcata - Eureka - 101 - Eel River Road - Loleta - 101 - Scotia - Redcrest - Avenue of the Giants (254) - Garberville - 101 - Richardson Groove State Park

Wetter:
schön; heiss; mässiger Rückenwind aus Nordwind

Distanz: 165 km   Zeit: 7,4 h   Geschwindigkeit: 22,3 km/h

Total:
Distanz:
5689 km   Zeit: 286,4 h   Ø Geschwindigkeit: 19,9 km/h   Ø pro Tag: 114 km
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Der Tag beginnt schlecht. Das Zelt ist vom Nebel pflotschnass, im Zelt drinnen ist alles muffig-feucht. Was soll's, denke ich mir, und packe meine Sache ausnahmsweise feucht ein. Wenn ich am Montag auf der Golden Gate Bridge sein will, kann ich keine Zeit verlieren mit Kleider und Zelt trocknen. Aber dann hebt sich mit dem Sonnenaufgang auch der Nebel, und ich friere wenigstens nicht mehr.

Küste
Einer der schönsten Küstenabschnitte: bei Trinidad, nördlich von Eureka.

Um nach den gestrigen Erfahrungen Hwy 101 auszuweichen, fahre ich wie vom ACA vorgeschlagen den Trinidad Scenic Drive. Der Ausblick auf die Küste ist zwar sehr schön, aber die Strasse ist eine unbefahrbar schlechte Katastrophe, und ich fluche. Von da an fahre ich bis Eureka auf ziemlich flacher Strecke alles auf dem Freeway, der hier in einem sehr guten Zustand und mit breiten Shoulders versehen ist. Dank dem Rückenwind, der hier eigentlich üblich sein sollte, komme ich so schön voran, dass ich den vorbeirauschenden Verkehr in Kauf nehme. Die vom ACA angegebene Durchfahrt durch Eureka ist sehr gut. Dann, als mir der Verkehr wieder etwas zu viel wird, versuche ich die Eel River Road vor Loleta. Die Strassenqualität ist akzetabel, aber die Strasse ist nach Loleta gesperrt, und ich muss zum Freeway hochfahren. Ich fluche schon wieder und schwöre, nie mehr diese blöden Seitenstrassen zu nehmen, solange der Freeway gut ist.

In Scotia, einem Zentrum der Holzverarbeitungsindustrie, esse ich einen Fast-Food-Lunch und studiere die ACA-Karte, die als Alternative zum 101 die Avenue of the Giants (gemeint sind die Redwoods) vorschlägt. Da kommt ein Angestellter des Supermarkets zu mir und fragt, ob er mir behilflich sein könne; er sehe, dass ich da Karten studiere und vielleicht nicht wisse, wodurch ich fahren solle. Ich frage ihn wegen dieser Avenue of the Giants, und er empfiehlt sie mir heftig. Die Avenue of the Giants war der ursprüngliche Highway, bis in den 60er Jahren Hwy 101 gebaut wurde.

Ich traue diesen Nebenstrassen nicht mehr. Hwy 101 ist immer noch schön zu fahren, es ist zwar heiss, aber dafür weht ein anständiger Rückenwind, und seit Scotia hat es viel weniger Truckverkehr, weil die grossen Holztransporte in Scotia enden. Nach ein paar Kilometern merke ich aber, dass Hwy 101 zwar direkter ist, dafür aber immer hinauf- und hinunter geht, während die Avenue of the Giants flach im Talboden dem Eel River entlang kurvt. Bei Redcrest entschliesse ich mich, diese Avenue auszuprobieren, allerdings auf dem Sprung zum grossen Wutausbruch, wenn sich diese Avenue als schlechter als Hwy 101 herausstellen sollte. Doch bald muss ich zugeben, dass es ein grosses Glück war zu wechseln. Diese Avenue of the Giants wird zu einem grossen Höhepunkt der ganzen bisherigen Reise. Diese Strasse ist wenig befahren und führt schmal am Boden zwischen den Redwoods hindurch; man taucht richtiggehend in eine Kirche von Wald ein. Es hat weniger Wind, ist aber schön kühl. Diese Welt der Redwoods muss man selber erlebt haben: Es ist unbeschreiblich, zwischen diesen Riesenbäumen hindurch zu fahren, eine ganz eigene Welt, wie ich sie sonst von nirgends her kenne, so einzigartig, wie es bisher nur der Yellowstone war.

Beim Richardson Groove State Park wird es dann Zeit, Hiker/Biker-mässig das Zelt aufzuschlagen, wieder inmitten von Redwoods. Als dann zum Picknick-Znacht noch der fast volle Mond in den Redwoods aufgeht, ist die Wunder-Stimmung perfekt.
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51. Tag: Samstag, 26. Juni

Strecke:
Richardson Groove State Park - 101 - Leggett - 1 - Westport - Fort Bragg - Mendocina - Albion - Manchester Beach KOA Campground

Wetter:
sonnig; leichter Rückenwind aus Nord

Distanz: 157 km   Zeit: 8,6 h   Geschwindigkeit: 18,3 km/h

Total:
Distanz:
5846 km   Zeit: 295,0 h   Ø Geschwindigkeit: 19,8 km/h   Ø pro Tag: 115 km
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Als ich Morgen erwache, bin ich überrascht, dass der kleine Holzschrank auf meinem Bikersite offen ist. Ich habe ihn zwar nicht abgeschlossen, aber doch gut zugemacht; zudem fehlen einige Chewing Granola Bars, eine gelungene Neuentdeckung von gestern. Als ich mich ein bisschen umschaue, entdecke ich die aufgeknabberte Verpackung dieser Bars. Ich frage einen Mann, wie das möglich sei, und er sagt, das seien Scrolls (Eichhörnchen), die diese Esswaren riechen und so geschickt sind, dass sie nicht abgeschlossene Schränke öffnen können. Offenbar hatten sie es nur auf diese Granola Bars abgesehen, denn das Muesli, die Banane und die Milky Way Dark haben sie nicht angerührt.

Heute erwartet mich ein Bergtag. Auf der ACA-Karte wird man eindringlich darauf aufmerksam gemacht, wie anstrengend die Fahrt von Leggett über den Pass mit 600 m Höhendifferenz an die Küste sei. Doch diese Steigung sollte sich als die angenehmste und gemütlichste des ganzen Tages entpuppen. Bereits von Piercy bis Leggett geht's ziemlich heftig zur Sache: Rauf oder runter und das jeweils steil, ist das Motto. In Leggett bin ich bereits ziemlich kaputt, dabei sollte der grosse Aufstieg erst noch kommen.

Nach den Erfahrungen am Ochoco Pass in Oregon packe ich mein Fahrrad randvoll mit Esswaren und Wasser; bis Westport sind es 45 km ohne Services. Bevor ich losfahre, kommt ein junger Mann, und wir plaudern das Übliche. Als ich sage, dass ich von New York bis hier alles mit dem Fahrrad gefahren bin, staunt er, sagt "That deserves a handshake" und schüttelt mir die Hand.

Wie meistens bei Pässen, habe ich keine Probleme, während mehreren Kilometern andauernd relativ steil hinaufzufahren. Es dauert zwar lange, bis man ankommt, denn das Tempo sinkt je nach Gang auf 7 bis 9 km/h, aber diese Art von Aufstieg erlaubt einen regelmässigen Rhythmus.

Die darauffolgende Abfahrt ist super: Die Strasse ist so kurvig und unübersichtlich, dass ich leider nicht allzu schnell fahren kann, dafür liegt man links und rechts abwechslungsweise scharf in die Kurven. Vom Passerlebnis her war das die bisher beste Abfahrt. Während dieser Abfahrt taucht man wieder in die Redwoods ein und in wunderbare Düfte, so schwer und süss, ganz verführerisch.

Plötzlich raschelt es rechts neben mir sehr laut, ich drehe den Kopf und sehe einen Bär den Baum hochklettern. Ich habe ihn offenbar erschreckt. Den Gedanken, anzuhalten und ein Foto zu machen, verwerfe ich sofort wieder.

Leider erhascht man während der Abfahrt nur ganz kurze Blicke auf den Pazifik, und am Ende der Abfahrt muss man, ohne den Pazifik zu sehen, zuerst noch im Landesinnern hinter dem Cape Vizcaino mindestens 200 Höhenmeter überwinden, bevor man dann endlich an den Pazifik kommt. Dort wird man dann aber mit einer Rauschen und Brausen belohnt, wie es nur der Pazifik bietet.

Weniger berauschend ist die folgende Fahrt bis Cleone vor Fort Bragg. Es geht der Küste entlang extrem steil hinauf und hinunter; die Strasse verläuft auf einem Plateau etwa 50 bis 100 m hoch über dem Pazifik und geht für jeden Creek, der aus dem Landesinnern in den Pazifik fliesst, auf das Niveau der Einmündung ein paar hundert Meter im Landesinnern auf Meereshöhe hinunter und dann wieder hinauf. Und da es sehr viele solche Creeks hat, scheffelt man etliche hundert Höhenmeter. Im weiteren ist der Küstenwind aus Norden nur unmittelbar an der Küste ein Rückenwind; im Landesinnern ist es ein scharfer Gegenwind aus Westen. Das spürt man bereits bei jedem dieser Aufstiege aus dem Creek an die Küste. Erstmals auf der Tour muss ich bei solchen Aufstiegen ab und zu absteigen und schieben.

Dieses ewige Auf und Ab bricht mir jeden Rhythmus; ich finde das viel anstrengender als einen Pass. Das ist die Ausnahme von der Regel, dass der Wind das Tempo bestimmt; hier macht das Terrain das Tempo, und das war bisher nur in Pennsylvania der Fall. Komisch, dass das der ACA nicht für erwähnenswert hält. Dazu kommt, dass die Strasse wieder sehr schlecht ist und die Fahrer unvorsichtig bis rücksichtslos überholen. Es braucht viel, bis ich mich nicht mehr sicher fühle auf dem Fahrrad, aber auf dieser Strecke weiche ich etliche Male präventiv aus und halte an, um die Autos vorbeizulassen.

Vor Fort Bragg gibt mir eine Frau den Tip, bei Cleone an die Küste und dort eine Küstenstrasse zu fahren, damit ich nicht immer in diesem Verkehr fahren müsse. Die Küstenstrasse lohnt sich zwar nicht, weil sie extrem holprig ist; dafür treffe ich an der Küste eine ältere Frau, die lange mit mir spricht, ihr halbes Leben erzählt und mir zum Abschied etwa ein Kilo getrocknete Aprikosen schenkt. Die Antwort auf die bei jedem Gespräch übliche Frage "Where are you from?" versetzt sie in Entzücken, denn ihre Tochter hat lange in der Schweiz gearbeitet, und sie kennt die Schweiz gut von Besuchen her.

Fort Bragg ist absolut hässlich; das beste daran ist die flache und gute Ausfahrtsstrasse, die wieder breit ausgebaut ist. Bis nach Mendocina führt die Strasse bei diesen Creeks über Brücken, die für mich oft sehr gefährlich sind. Die Shoulder hört unmittelbar vor der Brücke auf, so dass man irgendwie einfädeln muss; dann gibt es auf diesen Brücken starke Windböen und nur sehr niedrige Geländer. Ich bin immer froh, wenn ich drüben angekommen bin.

Bei Albion wäre ich bei 110 km und um 17 Uhr angesichts der Umstände normalerweise mit meinem Tagwerk zufrieden gewesen. Aber um sicher am 28. Juni anzukommen, fahre ich weiter, noch fast 50 km bis zum Manchester Beach. Um diese Zeit zaubert das Licht eine wunderbare Stimmung an die Küste, so dass ich zwar müde und abgekämpft entweder hinauf oder hinunter fahre, aber mich trotzdem von dieser Stimmung anstecken lassen kann und guter Laune einigermassen vorankomme. Am Manchester Beach komme ich um 19.30 h an. Da der State Park sehr primitiv eingerichtet ist (keine Duschen) und so nahe am Strand liegt und so wenig Bäume hat, dass man fast umgeweht und vom Wind tiefgefroren wird, gehe ich auf den gleich danebenliegenden KOA-Kampground, wo ich sogar wieder einmal meine Fahrradkleider waschen kann - ich bin seit Arco ID nie mehr dazugekommen.

Ich bin zeitlich so spät dran, dass ich fast keinen Hunger mehr habe; im Dunkeln drücke ich ein paar Stück Brot hinunter und gehe dann schlafen.
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52. Tag: Sonntag, 27. Juni

Strecke:
Manchester Beach - 1 - Point Arena - Gualala - Fort Ross - Jenner - Bodega Dunes State Beach Campground

Wetter:
schön; heiss; wenig Rückenwind aus Nord

Distanz: 108 km   Zeit: 6,1 h   Geschwindigkeit: 17,7 km/h

Total:
Distanz:
5954 km   Zeit: 301,1 h   Ø Geschwindigkeit: 19,8 km/h   Ø pro Tag: 115 km
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Ausgehungert muss ich an diesem Sonntag morgen gut 30 km bis Gualala fahren, bis endlich ein Restaurant offen hat. Dafür geniesse ich das Breakfast mit Eggs, Bacon und Hashbrowns sehr.

Viel Neues gibt es nicht zu berichten. Es geht wie gehabt steil rauf und runter, ich komme nicht auf Touren. Die Autos fahren entweder kriminell nahe und viel zu schnell oder dann dilettantisch; sie getrauen sich nicht zu überholen, weil sie es nicht gewohnt sind, Fahrrads zu überholen, und weil sie die Abstände und Distanzen nicht einschätzen können.

Zwischen Fort Ross und Jenner geht es lange steil hinauf. Hwy 1 steigt mehr als 200 m hoch über den Klippen, schmal und kurvig wie gewohnt. Es verlangt viel Konzentration, bei diesem niedrigen Tempo so nahe am Strassenrand und so gerade wie möglich zu fahren, ohne rechts in die Klippen hinabzustürzen. Das ist sicher keine Strasse für Leute, die schwindlig sind. Auch der ACA macht speziell auf diesen Abschnitt aufmerksam.

enge
Zwischen Fort Ross und Jenner: schmale Küstenstrasse am Abgrund.

Da wieder einmal Sonntag ist, nimmt der Verkehr am Nachmittag stark zu, so dass es definitiv ungemütlich wird. Ich mache beim Campground des Bodega Dunes States Beach Halt, eine Meile vor Bodega Bay. Ich wäre zwar gerne ein bisschen weitergefahren, um morgen weniger als 100 km fahren zu müssen, aber der nächste Campground in Point Reyes ist viel zu weit weg für heute.

Es ist ein komisches Gefühl, als ich nach der Ankunft das Zelt aufstelle und wie immer das Fahrrad putze, Frühstück und Proviant für morgen einkaufe und Friteusen-Food esse: es ist alles zum letzten Mal.

Kalifornien, das hat sich in den letzten Tag gezeigt, unterscheidet sich in vielem vom übrigen Land, so weit ich es kennen gelernt habe. Das Spektrum an Leuten ist breiter geworden: es hat plötzlich Intellektuelle, Hippies, Alternativ-Gesundheitsbewusste. Es gibt auch sichtbare Armut, Bettler und Obdachlose. Auch das Spektrum der handgeschriebenen oder fotokopierten Anschläge bei den Grocery Stores ist breiter geworden; bisher wurden vor allem Jobs, Autos, Häuser und Land gehandelt. In Kalifornien werden neu auch Tanz-Workshops, Massagen, Kräuterteemischungen und Kinderhütedienst angeboten. Dann gibt es nicht nur den billigen Tankstellen-Kaffee, sondern auch merklich besseren und teureren Kaffee. Überhaupt ist das Preisniveau generell höher als bisher. Dem Hwy 1 entlang war früher Fisch- und Holzindustrie angesiedelt, heute vor allem noch Tourismus. Ein Biker mit vielen Taschen am Fahrrad erregt hier kaum mehr Aufsehen, und so werde ich viel weniger häufig angesprochen als in den anderen Staaten.
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53. Tag: Montag, 28. Juni

Strecke:
Bodega Dunes States Beach Campground - 1 - Valley Ford - Tomales - Point Reyes Station - Olema - Stinson Beach - San Francisco

Wetter:
schön; heiss; leichter Rückenwind aus Nord bis Olema, dann Gegenwind aus Süd bis Stinson Beach

Distanz: 108 km   Zeit: 5,9 h   Geschwindigkeit: 18,3 km/h

Total:
Distanz:
6062 km   Zeit: 307,0 h   Ø Geschwindigkeit: 19,7 km/h   Ø pro Tag: 114 km
Mehr Statistik und Zahlen

Der letzte Tag meiner Fahrradtour. Gedanklich bin ich natürlich schon auf der Golden Gate Bridge, aber zuerst müssen die 100 km gefahren sind, und das geht nicht schneller, nur weil es die letzten sind. Der Abstecher ins Landesinnere ist genau so extrem hüglig und steil wie die Strecke an der Küste. Wenn's hinaufgeht, muss ich schieben; bei Abfahrten erreiche ich innerhalb von 100 m 60 km/h.

In Tomales telefoniere ich mit Franziska und schätze meine Ankunft vorsichtig auf 16 Uhr. Nachher berate ich einen Vater und seinen Sohn, die mit dem Auto von San Diego nach Alaska unterwegs sind, über die schönsten Zeltplätze entlang der Küste. Beim Tomales Bay State Park spreche ich wieder lange mit Leuten, die begeistert sind von meiner Fahrradtour. Bis Olema komme ich dank Rückenwind sehr gut voran und bestätige meinen Ankunftszeit auf 16 Uhr, in der Meinung, genügend Reserven zu haben.

Die ACA-Route verläuft ab Point Reyes Station im Landesinnern über Fairfax und Larkspur. Ich entscheide mich aber, auf dem Hwy 1 zu bleiben, da ich glaube, dass es zwar möglicherweise mehr Höhenmeter zu überwinden gibt, aber dafür die Strecke kürzer und schöner ist. Nach Olema gibt es eine lange Steigung und eine lange Abfahrt, bis man wieder an die Küste kommt. Dort werde ich von heftigem Gegenwind überrascht, der bis Stinson Beach nicht nachlässt. Vor dem Aufstieg nach Stinson Beach warnen mich Leute: "You are running into serious hills." Ich antworte gelassen: "I know, but these hills are the last ones, and I did a lot of hills." Ich ernte relativ verständnislose Blicke.

Die Strasse steigt auf gut 200 m Höhe, die ich trotz grosser Hitze problemlos schaffe. Oben sehe ich im Dunst erstmals von weitem die Golden Gate Bridge. Mein Jubel während des Fahrens muss den Autofahrern wohl seltsam vorgekommen sein. Dann folgt die steile Abfahrt nach Muir Beach, und dann folgt leider und überraschenderweise nochmals ein sehr steiler und happiger Aufstieg mit etwa 300 Meter Höhendifferenz. Jetzt wird die Zeit langsam knapp.

Kurz bevor Hwy 1 rechts zum Freeway 101 abzweigt, fahre ich geradeaus und komme auf dem vom ACA angegebenen Fahrradweg. Die Fahrt bis Sausolito und dann hoch steil hinauf zur Brücke geht im extremen Gegenwind länger als erwartet; meine Strecke war ziemlich genau gleich lang wie die ACA-Route und wahrscheinlich sogar noch anstrengender.

Ankunft
What a moment, what a feeling: arrival on the Golden Gate Bridge.

Dann bin ich bereit, auf die Brücke zu fahren, und ziehe mein Golden-Gate-Bridge-T-Shirt an. Es geht ein unglaublich starker Wind, als auf die Brücke komme. Ich fliege der Mitte der Brücke entgegen, dem seit über einem Jahr feststehenden Treffpunkt, wo ich von weitem tatsächlich Franziska sehe. What a feeling!

Wiedersehen
Am Ziel!

Auch Alfred ist da, er fotografiert meine Ankunft und unser Wiedersehen (siehe obige zwei Bilder). Zudem hat Franziska einen Journalisten des San Francisco Chronicle, Steve Rubinstein, engagiert, der eine Story schreiben will. Es gibt einen wunderbaren Empfang mit Champagner "Iron Hourse", Nüssli und Sonnenblumen. Nachdem er seine Fragen gestellt, verabschiedet sich Steve wieder, und wir geniessen unser Wiedersehen.

Alfred
Auf der Golden Gate Bridge: mit Alfred und Franziska.

Lange sind wir auf der Brücke und erleben das, was ich mir unterwegs so oft vorgestellt habe und was mich so oft motiviert hat, jeden Tag weiter und weiter zu fahren. Dann verladen wir Fahrrad und Gepäck ins Auto und fahren nach Hause, wo Blumen und Hochzeitsbänder die Wohnung festlich schmücken. Zum Essen habe ich mir Brot und Käse gewünscht, die unterwegs nur in ungeniessbarer Qualität erhältlich waren. Es gibt wieder Champagner, guten Wein und nach Brot und Käse sogar noch Fisch und Spargeln. Bis lange in die Nacht hinein freuen wir uns an unserem Wiedersehen.

Wer die Ankunft auf der Golden Gate Bridge aus Franziskas Optik erleben möchte, kann den Artikel von Steve Rubinstein lesen.
Bilanz California

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© Robert Stark, San Francisco, USA, 1999